Klassische Sammelgebiete erfreuen sich unter Philatelisten ungebrochener Beliebtheit. Aktuelle Auktionserlöse belegen die große Nachfrage nach Marken und Briefen aus der Frühzeit der Philatelie. Im Vergleich zu anderen Sammelgebieten ist die Wertentwicklung in diesem Bereich durchgehend stabil.
Einsteiger sollten keine Scheu haben, sich diesem faszinierendem Sammelgebiet zuzuwenden. Man muss nicht mit einer Sammlung der teuren Spitzen unter den Marken und Belegen aus der Frühzeit der Markenzeit anfangen. Mit etwas Hintergrundwissen findet der interessierte Sammler zahlreiche Teilgebiete und Nischen auch für den kleinen Geldbeutel.
Wer in die Württemberg-Philatelie einsteigen will, muß sich zunächst einen groben Überblick über die Postgeschichte des ehemaligen Königreichs verschaffen.
Als Württemberg 1806 Königreich wurde, gab es noch keine Briefmarken. Das Porto wurde vom Absender bar am Postschalter bezahlt oder beim Adressaten erhoben. Unter Philatelisten heißt die Zeit vor dem Aufkommen der Briefmarken „Vorphilatelie“. Komplette Briefe mit Inhalt und diversen Poststempeln aus dieser Zeit stellen ein erstes faszinierendes Sammelgebiet dar.
Am 15. Oktober 1851 gab die württembergische Post die ersten Briefmarken zu 1, 3, 6 und 9 Kreuzern heraus. Andere Gliedstaaten des Deutschen Bundes wie etwa Bayern und Baden waren schon mit eigenen Briefmarken vorausgegangen. Die klassische Ära der Kreuzermarken mit ihren zahlreichen Ausgaben (Mi.-Nr. 1-43) endete am 30.06.1875.
Unterdessen
war das Deutsche Kaiserreich gegründet. Die Währung und das Postwesen in den
Einzelstaaten, die damals noch eigene Briefmarken herausgaben (neben
Württemberg war dies nur noch Bayern), sollte vereinheitlicht werden. Im
Königreich Württemberg wie in den anderen süddeutschen Staaten wurde die
Kreuzerwährung (60 Kreuzer = 1 Gulden) abgeschafft; an ihrer Stelle traten wie
jetzt überall im Deutschen Reich Mark und Pfennige.
Mit dem Währungswechsel war natürlich auch die Ausgabe neuer Freimarken verbunden (Mi.-Nr. 44-62), die am 1.7.1875 erfolgt.
Parallel dazu stieg das Postaufkommen steil an. Belege aus der Kreuzerzeit und aus den ersten Jahren nach dem Währungswechsel sind relativ knapp, während sie mit jedem weiteren Jahr stark zunehmen.
In Württemberg entschloss man sich mit dem Währungswechsel im Juli 1875 auch zur Ausgabe von Dienstmarken für Gemeindebehörden, die zunächst nur innerhalb eines Oberamtbezirkes (daher auch Bezirksdienstmarken), später innerhalb ganz Württembergs verwendet werden durften (Mi.-Nr. 101-188).
Zuvor schon, am 1. Januar 1875, waren die ersten Telegrafenmarken in der neuen Markwährung ausgegeben worden; diese blieben allerdings nur bis zum 30. Juni 1881 in Verwendung (Mi.-Nr. 1-27).
Nachdem sich bei den Gemeindebehörden der Frankierungszwang von Dienstbriefen bewährt hatte, führte man am 1. April 1881 auch Dienstmarken für den amtlichen Verkehr der Staatsbehörden (Gerichte, Notariate, Schulen, Finanzämter, Bau- und Forstwesen) ein. Diese werden als Staatsdienstmarken bezeichnet (Mi.-Nr. 201-271).
Diese Staatsdienstmarken waren im gesamten Gebiet des ehemaligen Deutsch-Österreichischen Postvereins gültig. Damit waren in Württemberg ab 1881 drei, bei Berücksichtigung der Telegraphenmarken für wenige Monate sogar vier Sorten von Postwertzeichen in Verwendung. Von allen altdeutschen Staaten kann in dieser Beziehung nur Bayern mithalten.
Im Jahr 1902 entschloss sich die Württembergische Regierung nach langen, heftigen Diskussionen im Landtag, auf die Ausgabe eigener Freimarken zu verzichten und die Freimarken des Deutschen Reichs zu übernehmen. Das – typisch württembergische – Hauptargument der Befürworter eines solchen Schrittes war die damit verbundene Kostenersparnis im Staatssäckel.
So wurden zum 1. April 1902 Briefmarken und Ganzsachen des Deutschen Reiches auch in Württemberg eingeführt. Formal blieb die württembergische Posthoheit durch diese Maßnahme unangetastet. Württemberg gab also weiterhin eigene Dienstmarken sowie entsprechende Ganzsachen heraus.
Erst nach dem 1. Weltkrieg, als Württemberg bereits Republik war (der letzte württembergische König hatte Ende 1918 auf seinen Thron verzichtet), gab der „Volksstaat Württemberg“ sein Postrecht zugunsten des Reiches auf (1. April 1920). Die beiden beliebten Abschiedsserien der württembergischen Dienstmarken (Hirsche bzw. Städtebilder), die am 19. bzw. 25. Märzerschienen waren, verloren schon zum Monatsende ihre Gültigkeit; echt gelaufen sind sie entsprechend rar.
Die nach diesem Zeitpunkt mit dem traditionellen Bild verausgabten Bezirks- bzw. Staatsdienstmarken sind Ausgaben des Deutschen Reiches und werden dort katalogisiert ( Mi.-Nr. 55-64) . Beide tragen den Aufdruck „Deutsches Reich“. Nach Aufbrauch dieser Markenserien, hatten die Staatsbehörden die regulären Dienstmarken des Deutschen Reiches zu verwenden. Für die Gemeindebehörden wurden ab Januar 1921 weiterhin eigene Dienstmarken (Mi.-Nr. 150-188) verausgabt, die formal Ausgaben des Deutschen Reiches sind, aber gewohnheitsmäßig unter Württemberg katalogisiert werden. Am 31. Juli 1925 wurden sie ungültig.
Diese Einführung kann nur einen sehr groben Überblick über das Sammelgebiet Württemberg geben. Für Neueinsteiger haben wir eine umfangreiche Broschüre (Einblicke Württemberg-Philatelie, siehe rechts) erstellt, in der die einzelnen Markenausgaben näher beschrieben und Hinweise zu Sammelgebieten der Württemberg-Philatelie gegeben werden.
Marc Klinkhammer, 1. Vorsitzender
Wolfgang Maassen schreibt hierzu in der Philatelie Nr. 452:
Eine beachtenswerte Neuerscheinung meldet die ArGe Württemberg e.V. unter dem Titel: "Württemberg-Philatelie Einblicke". Tatsächlich bietet das 54 Seiten starke, durchgängig farbige Heft einen fundierten Einblick in die philatelistische Welt des ehemaligen Königreichs, dessen Marken – in ansprechenden Abbildungen eindrucksvoll dokumentiert – zu den ästhetisch gelungensten Ausgaben der klassischen Altdeutschlandphilatelie zählen. Nach einem kurzen geschichtlichen Abriss erhält der Leser nützliche Hintergrundinformationen über die Markenausgaben 1851 bis in die 1920er-Jahre. [...] Der Rezensent erinnert sich an keine zweite vergleichbare Broschüre dieser Art, mit der es eine Arbeitsgemeinschaft verstanden hat, ihr Sammelgebiet in derart vorzüglicher Weise zu präsentieren und dafür zu werben. [...]
Schutzgebühr € 3,00
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