Arbeitsgemeinschaft Württemberg e.V.
 
 

Der Bückeburg-Brief (Auszug aus Rundbrief 177)

Stichworte: Thomas Heinrich, Württemberg, Kreuzerzeit, Destination Schaumburg Lippe

 
 

Ich möchte Ihnen eine Neuentdeckung vorstellen die durchaus mehrere Blicke verdient!

 
 

Erster Blick: Die Erhaltung

Der erste Blick richtet sich bei diesem Beleg natürlich nach links oben auf die wunderschöne, farbfrische 9 Kr. in breitrandigem Schnitt und mit glasklarem Abschlag des Zweizeilers von Wildbad.

Aus der Kreuzerzeit: Der Bückeburg-Brief

Ein Blick in das Stempel-Handbuch bringt schließlich noch die Erkenntnis, dass es sich bei dem 15. August 1853 um das bislang späteste bekannte Datum dieses Zweizeilers in blau handelt. Seltsamerweise kleben dann noch zwei weitere Marken unmittelbar darunter. Eine 1 Kr. und eine 3 Kr. Marke. Genauer handelt es sich um die Mi.-Nr. 1b in perfekt breitrandigem Schnitt (oben und unten mit Teilen der Nachbarmarke!) und einer vollrandigen Mi.-Nr. 2y in früher Verwendung. Beide Marken entwertet in Stuttgart, auch am

15. August 1853, aber in schwarz. Die schwarze Stempelfarbe wird in Stuttgart bereits seit Anfang Juni 1853 verwendet. Also alles in bester Ordnung. Eine Dreifarbenfrankatur der ersten Ausgabe in fabelhafter Erhaltung die zudem noch eindrucksvoll den Wechsel der Stempelfarbe dokumentiert.

Doch sehen wir weiter.

 
 
 

Zweiter Blick: Die Destination

Nun beginnt die Sache richtig spannend zu werden.

Zielort des Briefes ist Bückeburg. Eine Stadt im heutigen Niedersachsen und ehemalige Residenzstadt des Fürstentums Schaumburg-Lippe. Heute zählt die Stadt Bückeburg etwa 20.000 Einwohner. Das kleine Fürstentum war bis 1946 ein selbständiges deutsches Land das seit 1647 bestand. Der Kleinstaat hatte um 1850 etwa 25.000 Einwohner, sowie einen offenbar recht streitbaren Fürsten! Jedenfalls gab es in der Gründungszeit des Deutsch-Österreichischen Postvereins Streitereien über diverse Privilegien des Staatsoberhauptes.

Überliefert sind u.a. Streitigkeiten über das Chausseegeld und die Ausgestaltung des fürstlichen Portofreiheitsprivilegs. Offensichtlich kam es zu keiner einvernehmlichen Regelung, sodass das kleine Fürstentum aus dem soeben gegründeten Postverein Stande Pete wieder austrat. Dies geschah mit Wirkung zum 01. August 1852.

Ab diesem Zeitpunkt war Schaumburg-Lippe also Postvereinsausland. Die württembergische Postverwaltung erließ bereits am 04. Juli 1852 eine Verordnung an alle Poststellen über die Behandlung der Post dorthin und die geltenden Tarife. Für den einfachen, frankierten Brief aus Württemberg galt, je nach Zielort im Fürstentum, ein 11 Kr. bzw. 13 Kr. Tarif. Die Verhandlungen mit dem Fürstenhaus zogen sich in die Länge. Eine Einigung über die fürstlichen Privilegien und die anderen Streitpunkte konnte schließlich erst gegen Ende des Jahres 1853 erzielt werden. Mit Wirkung zum 01.01.1854 trat das Fürstentum Schaumburg-Lippe schließlich wieder dem Postverein bei und der ganze Spuk hatte ein Ende gefunden. Der Adressat, Viktor von Strauß ist, nebenbei bemerkt, kein Unbekannter. Er war fürstlich schaumburg-lippescher Gesandter und Minister. Er ist Ehrenbürger der Stadt Dresden und wurde am 20. August 1852 in den österreichischen Adelsstand erhoben.

 
 
 

Dritter Blick: Die Bedeutung

Aus dem oben Genannten ergibt sich, dass für Schaumburg-Lippe für den Zeitraum vom 01.08.1852 bis 31.12.1853 aus Württemberg ein Auslandsporto von 11 bzw. 13 Kreuzer galt. Offenbar war dieser Umstand jedoch dem Postbeamten in Wildbad, der den Brief am Schalter entgegennahm, nicht bekannt. Mutmaßlich war dies der erste Brief, den er mit dieser Destination in Händen hielt und die Verfügung der württembergischen Post, die diesen Sonderfall regelte, war nun auch schon über ein Jahr alt und, so scheint es, in Vergessenheit geraten. 

Der Schalterbeamte behandelte den Brief jedenfalls wie einen normalen Postvereins-Brief im Fernverkehr und frankierte ihn statt mit 13 Kr. (korrektes Porto nach Bückeburg) lediglich mit einer 9 Kreuzer-Marke.

In Stuttgart fiel der Fehler des Beamten jedoch auf. Der Brief wurde „angehalten“ und die fehlenden 4 Kreuzern zufrankiert. Das Weiterfranco wurde auf der Briefrückseite mit "4" in roter Tinte ausgewiesen.

 
Aus der Kreuzerzeit: Der Bückeburg-Brief

Die Angabe des Weiterfrancos auf der Briefrückseite war zu jener Zeit nicht unüblich. Vorderseitig wurde ein roter Querstrich als Hinweis angebracht, dass der Adressat nichts mehr zu bezahlen hatte. Dass dieser Brief aber auch für das mit weitem Abstand größte Postamt Württembergs eine Herausforderung war,

zeigt der vorderseitige "Versuch eines Vermerks" der allerdings wieder durchgestrichen wurde.

Die in Stuttgart zufrankierten 4 Kreuzer wurden schließlich dem Postamt Wildbad intern in Rechnung gestellt.

 
 
 

Fazit:

Vorliegender Brief ist der einzige bekannte frankierte Brief aller süddeutschen Staaten, der den "Sonderfall Schaumburg-Lippe" während der gut einjährigen Austrittsphase in der Frühzeit des Postvereins dokumentiert. Er ist somit von herausragender postgeschichtlicher Bedeutung mit Strahlkraft weit über die Grenzen Württembergs hinaus, und stellt eine sensationelle Neuentdeckung dar!

Weder aus Baden, noch aus dem großen Bayern, ist ein ähnlicher Brief bekannt. Selbst Briefe aus dem

Postgebiet von Thurn und Taxis, das Schaumburg- Lippe umschließt, sind aus dieser kurzen Zeitspanne kaum bekannt und große Raritäten.

Wir haben diesen Brief wohl auch nur dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass ein Bückeburger, heute würde man sagen ein Wellness-Wochenende in Bad Wildbad einlegte.

Thomas Heinrich